Was ist Burn-out?

Beispiele aus meiner Praxis

Burn-out ist…

…eine 26 jährige Alten-Pflegerin in Ausbildung, die schon im ersten Drittel dieser Ausbildung jede dritte Woche mindestens 2 Tage zuhause bleiben muss, weil sie so starke Rückenschmerzen hat oder sehr oft eine Grippe bekommt. Ursprünglich war sie Reisekauffrau, was beim Erzählen ihre Augen sichtlich zum Aufleuchten bringt, konnte in dem ersten Beruf jedoch nicht Fuß fassen.

…ein Realschullehrer, der seit 5 Jahren immer eine 7. Klasse betreut, und ihm sich bereits auf dem Weg zur Schule morgens der Magen umdreht, und er bereits einige Magenspiegelungen hat vornehmen lassen – und ohne Befund wieder aus den Praxen entlassen wurde.

…ein Professor, der durch seinen charmanten Kommunikationsstil, seinen Einsatz für seine Studenten und viele Fachvorträge schnell aufgestiegen ist, der aber nach einigen Jahren nun fast nie mehr in seinem Büro anzutreffen ist, und meist nur nachts hinter Bücherbergen verschanzt dort an irgendetwas arbeitet.

…ein 39 jähriger Polizist, der eine vierköpfige Familie zu ernähren hat, der sich um eine Versetzung in ein wenig besiedeltes Gebiet bemüht, dies aber halbherzig verfolgt und seine Frau nicht in seine Pläne eingeweiht hat. Er hat in den letzten Jahren zunehmend mehr Gerichtsprozesse gegen klagende Bürger durchzustehen gehabt, die sein gelegentlich zu starker Gewalt neigendes, rigoroses Verhalten in seiner Polizistenrolle stoppen wollten. Sorgenvoll konnte mithilfe etlicher Kollegen und seinem Chef eine Suspendierung vom Dienst verhindert werden.

…ein 32 jähriger Jazzmusiker, der sich die Aufnahmen seiner Musik vom Mund abspart, mit dem Ziel, irgendwann endlich groß rauszukommen, um dann nach der dritten selbstproduzierten CD feststellen zu müssen, dass ein weitaus bekannterer Musiker in seinem Bereich sehr ähnliche Stücke spielt und diese CDs sehr beliebt sind. Er hat starke Stimmungsschwankungen, überlegt, ob er nicht nach New York gehen soll, um dort neu zu beginnen, dann wieder will er hier bleiben, um seinem kleinen Sohn, der bei der Mutter aufwächst, ein Vater zu sein. Er hält sich über Wasser mit Musikunterricht. Aber die Spritzigkeit, die in vielen seiner Stücke zu hören ist, ist einer Kühle gewichen. Die früher regelmäßigen Auftritte sind fast auf Null zurückgegangen.

…eine 42 jährige alleinerziehende Mutter, die in einem Familienbetrieb hoch aufgestiegen ist und inoffiziell die Geschäftsführung inne hält. Sie hat undefinierte Schmerzen und betreibt „Doktor Hopping“. Bald kann sie die hohe Arbeitsleistung nicht mehr aufrechterhalten und wird krankgeschrieben, und schließlich gekündigt.

…ein 29 jähriger Sozialpädagoge, der in verschiedenen Krisen-Interventions-Stationen arbeitet, und Migräneattacken und Erektionsstörungen erlebt. Beide Beschwerden sind für ihn unerklärlich, da es ihm „bis vor kurzem an nichts fehlte“. Er gerät immer wieder in Streit mit seiner Partnerin und wird von ihr verlassen. Er hat das Gefühl, dass seine besten Jahre als Mann vorüber seien und zieht sich immer weiter zurück, die Beschwerden allerdings bleiben.

…ein 45 jähriger Taxifahrer, der schon in Stress gerät, wenn er eine neue Bestellung per Datenfunk auf sein Display bekommt. Die Diskussionen mit unfreudlichen Fahrgästen über den kürzsten Weg, der Geruch von Alkohol und Rauch in der Kleidung des Fahrgastes, der viele Stunden in einer Spelunke verbracht hatte, die Schicki-Micki-Gesellschaft, die ihn kaum eines Blickes würdigt, all diese negativen Erfahrungen, die er tagtäglich in seinem Beruf macht, haben ihn mürbe gemacht. Er fühlt sich in seinem Sitz wie gelähmt, starrt nur noch vor sich hin. Er trifft kaum noch Freunde, kauft sich keine Sachen, spricht kaum mehr. Wenn ihn Fahrgäste zum Reden einladen, macht er ein grimmiges Gesicht oder eine scharfe Bemerkung, die den Fahrgast auf Abstand halten soll. Er hat auf gar nichts mehr Lust, hält es aber zuhause auch nicht aus, und so sitzt er 16 Stunden täglich am Steuer, weil es keinen guten Ort für ihn gibt. Gefangener einer trostlosen Existenz.

 

Burn-out hat viele Gesichter.